Mittwoch, April 12, 2006

Doppelleben


Aufmerksam geworden auf Carola Stern bin ich ich erst, als sie 2001 ihre Autobiographie veröffentlichte. "Doppelleben", so der Titel dieser Autobiographie, erzählt nicht nur recht schonungslos von ihrem sehr vielschichtigen Leben, sondern vielmehr von der wechselseitigen Geschichte Deutschlands. Man ist so sehr gewohnt, dass in Deutschland von Deutschen so häufig Opfer- und Heldengeschichten erzählt werden, dass es einem teilweise die Sprache verschlägt, dass da jemand mal ganz offen und schonungslos zu sich selbst über den Teil seines Lebens schreibt, den viele lieber verschweigen.

Erika Asmus war auf Usedom Jungmädel-Führerin im BdM
, trat nach dem Krieg der FDJ und schließlich der SED bei. Während ihrer Zeit auf der Parteihochschule der SED, wurde sie als Agentin des amerikanischen Counter Intelligence Corps angeworben. Nach Verrat und Flucht nach West-Berlin begann sie ein neues Leben im Westen unter dem Namen Carola Stern.

Nach einem Politik Studium an der FU Berlin, war sie zunächst Lektorin beim Verlag Kiepenheuer & Witsch (1960-1970) in Köln und wechselte schließlich als Radioreporterin und Kommentatorin zum WDR (1970-1985).

1961 gründete sie gemeinsam mit Gerd Ruge und Felix Rexhausen die deutsche Sektion von amnesty international und war auch deren Vorsitzende (Carola Stern über die Anfänge von ai). Es war interessant - fast einzigartig - zu lesen, wie eine Frau, die sich in ihrer Jugend autoritären, verbrecherischen Regimen verschrieben hat, als Erwachsene zur Verfechterin von Menschenrechten wird.

Die Autobiographie kann ich nur empfehlen. Es gehört auf jeden Fall zu den gut zwanzig Büchern, die mich in meinem bisherigen Leben am meisten beeindruckt haben. Für diejenigen, die eher lesefaul sind, läuft kommende Woche auf Phoenix die als Dokudrama verfilmte Version von "Doppelleben" (Di 18.4, 22.15Uhr; Do 20.4., 10Uhr).

Carola Stern, geborene Erika Asmus, starb am 19. Januar diesen Jahres im Alter von 80 Jahren. R.I.P.

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