Freitag, Januar 27, 2006

"Versöhnen statt spalten"


Heute morgen ist Altbundespräsident Johannes Rau knapp zwei Wochen nach seinem 75. Geburtstag gestorben. So ich auch nicht immer politisch mit ihm einer Meinung war (mit wem ist man das schon), war Johannes Rau aber ein Mensch, der dieses Land überwiegend positiv geprägt hat. Wichtig für mich ist vor allem ein Auszug aus einer seiner letzten Reden, der Berliner Rede 2004:

Tatsächlich aber ist Verunsicherung so etwas wie ein allgegenwärtiges Gefühl geworden, das unsere gesamte Gesellschaft erfasst. Das ist lebensgefährlich.

Natürlich gibt es auch ein falsches Sicherheitsgefühl, das Neugier, Wagemut und Unternehmensgeist bremst. Wenn neue Entwicklungen verschlafen oder verhindert wurden, kritisieren wir das zu Recht.

Wir müssen aber träge Bequemlichkeit genau unterscheiden von der notwendigen Grundsicherheit, die jeder Mensch braucht, damit Sorgen und Angst ihn nicht lähmen. Auch Verunsicherung erzeugt Lähmung. Menschen ohne Grundvertrauen sind nicht besonders leistungsfähig, weder besonders leistungsbereit noch besonders risikofreudig.

Es ist ein Irrtum zu glauben, dass man Menschen zu besserer oder zu mehr Leistung motivieren kann, wenn sie ständig Angst haben müssen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren oder im Alter in Not zu geraten. Jeder Mensch braucht eine gewisse Grundsicherheit, damit er den Kopf frei hat, auch für Anstrengung und Erfolg im Beruf.

Wenn wir unsere Gegenwart realistisch beschreiben wollen, müssen wir auch fragen, ob tatsächlich so vieles schwierig und unsicher ist, ob tatsächlich so vieles schlecht und erneuerungsbedürftig ist, so vieles abgebaut und umgebaut werden muss - oder ob vieles einfach schlecht geredet wird.


Dies sind Worte, an die ich mich noch lange erinnern werde.

Johannes Rau (1931-2006). R.I.P.

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