Sonntag, Februar 26, 2006

Setzt sie endlich ab!


Zunächst vorweg: da ich auch weiterhin keine Photos von Menschen veröffentlichen möchte, die ich nicht leiden kann, ist über diesem Eintrag ein Abbild unseres richtigen Parlaments zu sehen. Nur zur Erinnerung.
Man könnte wohl einen ganzen Blog damit füllen, warum man die Unaussprechliche abschalten sollte. Ihr wisst, wen ich meine, die Person die Sonntag für Sonntag in der ARD ihr Unheil treibt.
Vorhin kam für mich noch ein Grund hinzu. Es herrscht Vogelgrippe im Land und was macht man dann in einer Talkshow wie dieser. Man behauptet, man wolle keine Panik verbreiten und tut es trotzdem. Und noch einiges mehr. Zum ersten Mal seit Ausbruch der Vogelgrippe ist mir schlecht geworden. Aber nicht weil ich Hähnchenfleich oder Eier gegessen hätte (was ich in der vergangenen Woche mehrfach unbeschadet genossen habe), nein wegen einem Einspielfilm in dieser Talkshow. Gezeigt wird ein sterbender Schwan, wie er seinen Hals nach links windet, nach rechts windet und das für mehrere Sekunden - "untermalt" mit der bekannten Melodie aus Schwanensee. Es ist wirklich das Perverseste, was ich seit langem gesehen habe.
Aus irgendeinem Grund glaubt man in dieser Talkshow, ein Einspielfilm müsse ironisch statt informierend sein. Nur das ironisch bei ihnen gleichgesetzt wird mit niveau- und geschmacklos. Echt zum Kotzen. Dass diese Person von meinen und Euren GEZ-Gebühren bezahlt wird, möchte ich gar nicht erst vertiefen. Mir bleibt nur noch ein Appell.
Liebe Herren von der ARD: wenn ihr schon zu sonst nichts in der Lage seid, dann tut doch wenigstens einmal ein gutes Werk:
Setzt sie endlich ab!

Syriana


Da die wenigen wirklich guten Hollywood-Filme erst am Ende des Jahres rauskommen, um für die Oscar-Nominierungen noch in Erinnerung zu sein, kommen eben diese Filme erst jetzt in die deutschen Kinos. Wegen der Oscar-Verleihung. Und zwar alle auf einmal. Einer dieser Filme ist "Syriana".
Der Film ist hochgradig komplex. Wahrscheinlich muss man ihn mehrmals sehen, um ihn ganz zu verstehen - so das denn überhaupt geht. Aber genau diese Komplexität ist nicht die negative, sondern die positive Seite des Films. Nur so wird der Film seinem Thema gerecht. Es ist geradezu wohltuend, dass hier mal nicht beim Drehbuch oder beim Schnitt mit der üblichen 08/15 Schablone vorgegangen wurde.
Deutlich wird dies auch beim CIA-Agenten Bob Barnes, gespielt von George Clooney. Diese Figur ist weder schwarz noch weiß, wie sie es in so vielen anderen Filmen wahrscheinlich geworden wäre, sondern sehr gräulich, vielleicht anthrazit. Ein Mann, der jahrzehntelang die Agentenspielchen, egal ob gut oder böse, mitgespielt hat und erst im Laufe des Films die Seiten wechselt, wenn ihm auch die Heldenrolle verwährt bleibt.
Gutuend auch, Matt Damon endlich mal wieder in einer guten Rolle zu sehen. Hervorstechend zudem die darstellerischen Leistungen von Alexander Siddig (Prinz Nasir) und Mazhar Munir, der den pakistanischen Gastarbeiter Wasim spielt.
Insgesamt ein sehr guter, beeindruckender Film. Wenn ich hier so etwas wie ein Wertungssystem hätte, würde ich ihm fünf Anemonen geben.

Manchmal geht es auch anders


Denn manchmal erscheint in der New York Times auch mal etwas Durchdachtes, Lesenswertes. Heute ist tatsächlich so ein Tag. Da hat Nicholas Kulish unter der Überschrift "An Insecure City Demolishes Its Own Charme" das zu Papier gebracht, was ich mir auch denke: wie kann eine Stadt wie Berlin so unsicher sein, dass sie ein historisches, bestehendes Gebäude durch ein gefaked historisches Gebäude ersetzen will. Und warum wurde dann eigentlich das Olympiastadion nicht abgerissen und ein neues Stadion gebaut, anstatt das alte nur zu sanieren?
Man hatte sich doch schon die Mühe gemacht und den Palast der Republik asbestsaniert. Warum dann nicht ganz sanieren statt es abzureißen und wegen der verqueren Statik auch noch andere Gebäude in Gefahr zu bringen? Und wenn manche Politiker was gegen den Namen "Palast der Republik" haben, hätten sie es auch in "Schloss der Republik" umbenennen können. Dem Palast wäre das wohl schnuppe gewesen. Und billiger wär's auch.

Mittwoch, Februar 22, 2006

Politische Newcomer - André Boisclair


Da denkt man sich "Cool, mal ein schwuler Politiker, der sich nicht versteckt, der offen damit umgeht und dessen Partei auch kein Problem damit hat" und dann muss man so einen Dreck lesen, wie ihn Clifford Krauss von der New York Times am 25.10.2005 verbrochen hat:
One premier in the 1970's ran over and killed a homeless man and then was re-elected.
So nobody was particularly surprised when André Boisclair, a 39-year-old gay man who banters about his sexuality on television talk shows, became the instant front-runner in the leadership race to head the separatist Parti Québécois.
Vielen Dank, Herr Krauss, für die Einsicht in Ihr perfides Weltbild! Schön, dass schwul zu sein selbst für die New York Times gleichbedeutend damit ist Menschen umzubringen.
André Boisclair wurde am 15. November 2005 zum Vorsitzenden der Parti Québécois gewählt. Er ist damit der erste Homosexuelle in Nordamerika, der eine größere Partei anführt. Zuvor hatte Boisclair in der kanadischen Provinz Québec zwischen 1996 und 2003 schon mehrere Kabinettsposten inne, darunter auch das Umweltressort. Er gehört also ebenso wie Ségolène Royal zu den politischen Newcomern, die unter anderem über das Umweltressort die Karriereleiter nach oben klettern.
Die Parti Québécois ist eine sozialdemokratische, nationalistische Partei, die sich für die Unabhängigkeit Québecs von Kanada einsetzt. Boisclair selbst wird als wirtschaftlich eher konservativ angesehen und setzt sich, wenn auch nicht vehement, für ein Referendum zur Unabhängigkeit ein.
Nun zum hypothetischen Spiel: sollte die Parti Québécois, die innerhalb der nächsten zwei Jahre abzuhaltenden Parlamentswahlen in Québec gewinnen, wovon die Umfragen im Moment ausgehen, wäre Boisclair der erste offen schwul gewählte Regierungschef in Nordamerika. Sollte er dann tatsächlich ein Referendum ansetzen und Québec sich unabhängig erklären, wäre er der erste offen schwule Regierungschef eines souveränen Staates weltweit.
Ach, ja, dass Boisclair zugeben musste, dass er auf Parties Kokain zu sich genommen hat, passt natürlich auch in das Bild von Herrn Krauss, der sich viel mehr an der schwul-Kokain Connection ergötzt, anstatt zu erläutern wofür der Mann politisch steht. Ja, toll.

Dienstag, Februar 14, 2006

The Silver State


Da ich grad schon über Battle Mountain schreibe: Die US Mint hat in ihrer Bundesstaatenserie nun auch einen Quarter herausgebracht, dessen Rückseite Nevada, dem "Silver State" gewidmet ist. Doch statt dort abzubilden, wofür Nevada wirklich berühmt ist, Casinos, hat man sich für Wildpferde entschieden. Zugegeben, die Hälfte der amerikanischen Wildpferde lebt in Nevada, aber dass man die Natur so herausstellt, ist schon ein wenig zynisch, wenn man in Betracht zieht, dass auch der Yucca Mountain - das amerikanische Gorleben - in Nevada liegt. Ob das im Hintergrund vielleicht sogar Yucca Mountain ist, hat die US Mint allerdings versäumt mitzuteilen...

"HELL"


Der Sinn dieses Fotos geht aus dem Artikel hervor, zu dem der vorherige Eintrag verlinkt.

"The Armpit of America"


Gene Weingarten, Journalist bei der Washington Post, hat am 2. Dezember 2001 einen Artikel mit der Überschrift "Why Not the Worst?" geschrieben. Dieser Artikel hat kaum irgendwo für Aufsehen gesorgt, außer in Battle Mountain, Nevada.

Nun ist Battle Mountain nicht irgendein gottverlassener Ort. Nein, es ist der Ort, an den man mich geschickt hat, als ich vor etwas mehr als zehn Jahren nach Amerika kam. Ganze zwei Monate habe ich dort in einer vorübergehenden Gastfamilie gewohnt, bevor ich zu meiner endgültigen Gastfamilie an den wunderschönen Lake Tahoe zog.

Als ich diesen Artikel vor kurzem fand, konnte ich kaum an mich halten. Er beschreibt den Ort ungefähr so, wie ich ihn in Erinnerung habe. Entertainment Highlights waren McDonald's und High School Football. Einmal während der zwei Monate war ich auch im Kino - in der Nachbarstadt Elko, die eineinhalb Autostunden entfernt liegt. Drei Stunden Autofahrt für "Waterworld"...


Aber Battle Mountain hat auch seine schönen Seiten. Nie zuvor und nie danach habe ich einen so schönen Sternenhimmel gesehen wie über Battle Mountain.

Donnerstag, Februar 09, 2006

Ein Asiate, ein Osteuropäer oder doch eine Frau?


Natürlich ist diese Überschrift gaga und in sich widersprüchlich, denn selbstverständlich gibt es auch asiatische und osteuropäische Frauen. Aber wir sprechen hier von den Vereinten Nationen. Und so froh ich bin, dass es diese Institution gibt und sehr ich mir wünschen würde, nach meinem Studium mal dort zu arbeiten: bei den Vereinten Nationen ist diese Überschrift alles andere als gaga.

Zumindest wenn es um die Wahl des neuen Generalsekretärs gilt. Denn der (oder die) wird im Moment gesucht. Kofi Annans Amtszeit läuft am Ende des Jahres aus und dementsprechend sprießen die Spekulationen schon ins Kraut. Wenn andere Wahlen manchmal abstrus anmuten mögen, so ist die Wahl des Generalsekretärs der Vereinten Nationen einfach nur absurd.

Das Vorschlagsrecht hat der Sicherheitsrat mit seinen fünf ständigen und zehn nicht-ständigen Mitgliedern. Wie bei allen Dingen, die vor den Sicherheitsrat kommen, haben die fünf ständigen Mitglieder auch hier ein Vetorecht. Das allein macht die Wahl noch nicht absurd. Aber dann kommt die Politik ins Spiel, genauer gesagt die Politik der Regionen. Und nun wird's lustig.

Die USA plädieren dafür, dass Osteuropa doch mal an der Reihe wäre, denn ein Osteuropäer hat die Vereinten Nationen bisher noch nicht geführt. Der ehemalige polnische Präsident Aleksander Kwasniewski ist hier im Gespräch. Aber den will Russland nicht. Das scheint sich eher mit China einig zu sein, dass Asien dieses Jahr dran ist. Europa war schon drei mal dran, die letzten Generalsekretäre kamen aus Südamerika und Afrika. Also Asien. Da gibt es auch einige Favoriten. Nur wäre es müßig, die hier zu erwähnen. Sie kommen aus der zweiten Reihe und es kennt sie eh keiner. Frankreich und Großbritannien halten sich im Moment scheinbar noch bedeckt.

Nun kommt der dritte Teil der Überschrift: die Frauen. Denn, wenn schon ein unbekannter Asiate (nichts gegen Asiaten, man kann das auch wahlweise durch Europäer, Amerikaner oder Afrikaner ersetzen - die bisherigen Generalsekretäre hat vorher auch kein Mensch gekannt), warum dann nicht eine Frau. Nach der Wahl von Angela Merkel in Deutschland, Ellen Johnson-Sirleaf in Liberia und Michelle Bachelet in Chile in den vergangenen Monaten gewinnt dieser Gedanke immer mehr Freunde. Die Organisation "Equality Now" hat inzwischen eine Kampagne gestartet, damit es demnächst eine Generalsekretärin gibt. Sie hat dazu eine Liste mit kompetenten Kandidatinnen zusammengetragen. Und ja, es sind auch welche aus Asien und Osteuropa darunter.

Mal wieder Lego spielen


Als kleines Kind konnte ich Stunden in meinem Zimmer verbringen und einfach nur mit Lego spielen. Ganze Städte habe ich damals gebaut. Daran musste ich in diesen irrsinnigen Tagen denken und hab mir gedacht: vielleicht sollten wir alle mal wieder Lego spielen.

Vor allem in den USA laufen im Moment "Buy Danish" Kampagnen. Einige von ihnen scheinen von rechtskonservativen Meinungsmachen gesteuert zu sein. Aber es muss ja nicht immer alles falsch sein, was von rechts kommt. Häufig, ja, aber in diesem Fall sehe ich das anders.

Also, wem es nicht gefällt, dass Meinungsfreiheit, auch wenn sie mal ein unschönes Gesicht zeigt, nicht respektiert wird, dass Botschaften angezündet und unschuldige Menschen verfolgt und bedroht werden, der sollte vielleicht einfach mal wieder Lego spielen, mal Carlsberg zum Beck's trinken oder Havarti Käse probieren.

Weitere dänische Firmen findet ihr auf dieser Liste. Viel Spaß beim Spielen :)

Samstag, Februar 04, 2006

Politische Newcomer - Ségolène Royal


Der Buzz um Ségolène Royal ist kaum noch zu überhören. Selbst das Saar Echo hat es schon mitbekommen. Und der Buzz ist: Der nächste Präsident der Grande Nation ist eventuell eine Frau.

Wie nicht anders zu erwarten, macht dies eine ganz Reihe von Männern mehr als nervös. Der ehemalige Premier
Laurent Fabius, seines Zeichens sozialistischer Parteifreund von Royal, konnte sich folgenden "Scherz" nicht verkneifen: "Wer passt denn dann auf die Kinder auf?" Eigentlich zu schade, dass Angela Merkel keine Kinder hat. Diesen Satz hätte man doch zu gern mal von den Herren Wulff, Koch oder Stoiber gehört.

Aber vielleicht dachte Fabius auch nur an seinen anderen Parteifreund:
Francois Hollande. Dieser ist Vorsitzender der Sozialisten und Lebensgefährte von Ségolène Royal. Die beiden haben vier gemeinsame Kinder.

Und hier wird es interessant. Monsieur Holland würde auch gern Präsident werden. Er hat nur ein Problem - seine Lebensgefährtin ist populärer. So glauben zur Zeit 53% der Franzosen, sie habe das Zeug zur Präsidentin. Ihre männlichen Mitstreiter schnitten wesentlich schlechter ab. Über den Kandidaten der Sozialisten wird im November entschieden. Jedoch wird zumindest ein Teil des Paares Royal/Hollande dann nicht antreten. Die beiden wollen im September "als Paar" entscheiden, wer von ihnen antritt.

Aber nicht nur die sozialistischen Männer machen sich Sorgen. Auch dem Favoriten der Konservativen, Innenminister
Nicolas Sarkozy, könnte eine Kandidatur Royals Probleme bereiten. Sarkozy galt bislang als haushoher Favorit für die Wahl im nächsten Jahr. Jedoch besagt eine aktuelle Umfrage (und ja, ich genieße Umfragen insbesondere seit der letzten Bundestagswahl mit Vorsicht), dass Royal Sarkozy in einer Stichwahl knapp mit 51 zu 49% schlagen würde.

Nur wird Sarkozy eventuell gar nicht Kandidat der Konservativen. Premierminister
Dominique de Villepin wäre auch gern Präsident. Er hatte zwar schon mehrere Regierungsämter inne, nur hat er sich noch nie zur Wahl gestellt. Und als auserwählter Thronerbe des unbeliebten Präsidenten Jacques Chirac stehen seine Chancen eher schlecht. Für Ségolène Royal wäre de Villepin immerhin kein Unbekannter. Die beiden kennen sich aus gemeinsamen Tagen an der Eliteschmiede ENA, wo Royal auch Hollande kennengelernt hat.

So ist die als Außenseiterin von vielen ersehnte Royal in Wahrheit genau dies nicht. Sie ist bisher nur kaum negativ in Erscheinung getreten. Sie scheint volksnaher zu sein als die abgehobene Politiker-Elite. In den 90ern war sie Umweltministerin und beigeordnete Familien- und Bildungsministerin und hat sich in diesen Bereichen einen Namen gemacht, indem sie u.a. die Pille danach und den Vaterschaftsurlaub durchgesetzt hat. Ob das ihre Unerfahrenheit im außen- und wirtschaftspolitischen Bereich ausgleicht, bleibt abzuwarten. Interessanterweise war auch Angela Merkel Familien- und Umweltministerin. Vielleicht sind das in Zukunft die Ressorts aus denen Staats- und Regierungschefs hervorgehen. Wäre ja nicht das Schlechteste.

Frauen in der Politik - Hildegard Hamm-Brücher


Gleich zu Beginn eine Ausnahme: eine deutsche Politikerin. In Zukunft werden, wie angekündigt, nur noch Frauen aus dem Ausland folgen.

Wenn es für mich ein Vorbild in der Politik gibt, dann ist dies wohl Hildegard Hamm-Brücher. Irgendwann in meiner Kindheit habe ich das erste Mal die Debatte zum konstruktiven Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt vom 1. Oktober 1982 gesehen. Als eine von wenigen Abgeordneten der FDP sprach sie sich gegen die Wahl von Helmut Kohl zum Bundeskanzler aus. Dies machte sie auch in ihrer Rede mehr als deutlich. Sie warf der CDU vor, dass durch dieses Vorgehen die "moralisch-sittliche Integrität" von Machtwechseln beschädigt werde. Sie tat dies, obwohl sie unter Hans-Dietrich Genscher, der den Wechsel der FDP von der SPD zur CDU im Wesentlichen betrieb, von 1976-1982 Staatsministerin im Auswärtigen Amt war.

Augrund ihrer Opposition gegen den Regierungswechsel nahm sie in der Regierung Kohl keine Regierungsämter mehr war. Sie blieb dennoch politisch aktiv. 1994 war sie die Kandidatin der FDP für das Amt des Bundespräsidenten. Ihre Gegenkandidaten waren u.a. Roman Herzog (CDU/CSU), Johannes Rau (SPD) und Jens Reich (Grüne). Dass es am Ende wieder einen Bundespräsidenten und nicht die erste Bundespräsidentin gab, lag vor allem an dem berüchtigten Elefantengedächtnis des Helmut Kohl, der Hildegard Hamm-Brücher ihre Rede zwölf Jahre zuvor immer noch nicht verziehen hatte, und an der Schwäche der FDP, die statt mit der SPD und den Grünen über eine Wahl Hamm-Brüchers zu reden, ihre Kandidatin nach dem 2. Wahlgang lieber fallen ließ, um Roman Herzog zu wählen. Dieser wäre auch ohne die Hilfe der FDP gewählt worden, hätte die FDP auch im 3. Wahlgang an ihrer Kandidatin festgehalten, da in diesem Wahlgang die einfache Mehrheit gereicht hätte. Nichts gegen Roman Herzog, aber Hildegard Hamm-Brücher wäre aufgrund ihrer Integrität und Standhaftigkeit wohl die beste Präsidentin geworden, die dieses Land bisher hatte.

Bestätigt sah ich mich in dieser Einstellung vor der Bundestagswahl 2002. Die FDP hatte sich von Jürgen Möllemann und seinem irrsinnigen "Projekt 18" Geisel nehmen lassen und stellte sich nicht ganz klar, wie man hätte erwarten können, gegen die antiisraelischen Tiraden Möllemanns. Hildegard Hamm-Brücher zog als einziges prominentes Mitglied der FDP die Konsequenzen und trat aus der Partei aus.

Hildegard Hamm-Brücher wird am 11. Mai diesen Jahres 85 Jahre alt.

Leider nicht

Der Filibuster ist vergangenen Montag leider gescheitert. Notwendig wäre gewesen, dass weniger als 60 der 100 Senatoren für ein Ende der Debatte stimmen. Am Ende waren es 72, nur 25 Senatoren sprachen sich gegen ein Ende der Debatte aus. Das hat leider nicht gereicht. So konnte dann am Dienstag über Samuel Alito abgestimmt werden. Mit 58 zu 42 Stimmen ist Alito zum neuen Richter am Supreme Court bestätigt worden. Für Alito stimmten schließlich 54 Republikaner und vier Demokraten; gegen ihn 40 Demokraten, ein Republikaner und ein Unabhängiger.
Bei der Abstimmung zum Ende der Debatte votierten u.a. John Kerry, der Präsidentschaftskandidat von 2004, Edward Kennedy, der Bruder von John F., und Hillary Clinton dagegen; Joe Lieberman, der Vizepräsidentschaftskandidat von Al Gore im Jahre 2000, dafür, obwohl er anschließend gegen die Bestätigung Alitos stimmte.
So ist Alito nun einer von neun Richtern am Supreme Court. Das Gericht ist damit weiter nach rechts gewandert. Manche Kommentatoren haben (in ihrer Verzweiflung?) einen bisher zum konservativen Lager zählenden Richter als neue Wechselstimme bei Pattsituationen ausgemacht. Ob dem dann wirklich so ist, bleibt abzuwarten.
Man kann nur hoffen, dass die Demokraten ihre Lektion gelernt haben und bei der nächsten Nominierung besser vorbereitet sind. Vielleicht haben sie bis dahin auch wieder die Mehrheit im Senat - im November sind ja Wahlen. Ob das etwas nützt, scheint mir sehr fraglich, da diesmal immerhin vier Demokraten für Alito gestimmt haben. Wir können alle nur hoffen, dass die vier liberalen Richter die Amtszeit von George W. Bush gesund überstehen...
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