Sonntag, Januar 29, 2006

Filibuster?

Ein Filibuster ist ein politisches Instrument im US-Senat. Durch dauerhaftes Reden eines oder mehrerer Senatoren soll verhindert werden, dass eine Abstimmung stattfindet. Relativ selten wird von ihm Gebrauch gemacht und morgen könnte es wieder einmal so weit sein.

Samuel Alito ist die Person, um die es hierbei geht. Er wurde von Präsident Bush als neuer Richter für das Supreme Court nominiert. Normalerweise gehen diese Nominierungen relativ glatt durch. Nur ist es in diesem Fall so, dass der sehr konservative Alito die relativ moderate Sandra Day O'Connor ersetzen soll, die in vielen Fällen die ausschlaggebende Stimme in die eine oder andere Richtung war. Nun könnte es durchaus passieren, dass sich dies mit Alito ändert und der Supreme Court nach rechts schwingt. Besonders prekär ist die Lage, da Supreme Court Richter ohne Zeitbeschränkung nominiert werden, also in den meisten Fällen erst mit dem Tod aus dem Amt scheiden (O'Connor tritt mit 75 Jahren zurück). Alito säße also vermutlich die nächsten 20-30 Jahre im Supreme Court. Zudem ist einer der liberalsten Richter, John Paul Stevens, inzwischen 85 Jahre alt. Sollte er während Bushs Amtszeit zurücktreten oder sterben, würde er wohl auch durch einen sehr konservativen Richter ersetzt werden. Spätestens dann wäre das Supreme Court auf längere Zeit unabänderlich in konservativer Hand, was einen entscheidenden Effekt auf das Leben in den USA hätte.

Noch mehr als das Bundesverfassungsgericht hat das Supreme Court einen erheblichen Anteil an gesellschaftsverändernden Entscheidungen in den USA. Deshalb sind die beiden politischen Lager so sehr darauf erpicht, einen der Ihren als Richter an den Supreme Court zu bringen. So ist die Legalisierung der Abtreibung 1973 (Roe v. Wade) eine der wichtigsten Entscheidungen in der modernen Geschichte des Supreme Courts. Auch in puncto Bürgerrechte waren die Entscheidungen des Supreme Courts häufig ausschlaggebend.

Gerade das Recht auf Abtreibung könnte durch die Nominierung Alitos gefährdet sein. Zwar war Alito in den Anhörungen vor dem Justizausschuss des Senats kaum greifbar, seine bisherigen Entscheidungen und juristische Meinungen, die er während seiner Zeit als Mitarbeiter im Justizministerium während der Präsidentschaft von Ronald Reagan schrieb, sprechen eine recht eindeutige Sprache.

Viele Bürgerrechtsgruppen und die Basis der Demokratischen Partei stellen sich gegen Alito und fordern ihre Senatoren auf, Alito durch ein Filibuster zu verhindern. In einer Abstimmung würde Alito auf jeden Fall bestätigt, da die Republikaner mit 55 zu 45 die Mehrheit im Senat stellen. Ein Filibuster kann aber nur durchgehalten werden, wenn eine Mindestanzahl von 41 Senatoren nicht für ein Ende der Debatte stimmt. Übers Wochenende zeichnete sich langsam ab, dass die Basis zu ihren Volksvertretern durchgedrungen ist und Senator John Kerry, der ehemalige Präsidentschaftskandidat, forderte seine Kollegen auf ein Filibuster zu unterstützen. Ob er damit Erfolg haben wird, wird sich morgen (Montag) um 22.30 MEZ zeigen, da dann über ein Ende der Debatte abgestimmt wird. Wer das live mitverfolgen möchte, kann dies über C-Span, dem amerikanischen Äquivalent zu Phoenix tun. Es könnte sehr, sehr knapp werden.

Instrumental in der Überzeugungsarbeit der demokratischen und einiger weniger republikanischen "pro-choice" Senatoren sind vor allem einige politische Blogs in den USA. Seit der letzten Präsidentschaftswahl zeichnet sich immer mehr ab, dass sich die sogenannten "grass-roots" der Parteien, also die Basis, übers Internet organisieren. Ein sehr interessanter und einflussreicher Blog ist Daily Kos, auf dem an diesem Wochenende auch John Kerry seine Meinung über einen Filibuster darlegte, um mit der Hilfe der Blogger die anderen Senatoren zu überzeugen. Sehr aufschlussreich sind dieser und auch andere Blogs diesbezüglich, dass es in den USA nicht nur Michael Moore gibt, der einen Kampf gegen Bush führt, sondern das es ein ganzes Land gibt, in dem mindestens die Hälfte der Bevölkerung nicht mit Bush einverstanden ist. Diese Hälfte ist frustierter und wütender als wir es in unserem kuscheligen Europa je sein könnten.

Freitag, Januar 27, 2006

"Versöhnen statt spalten"


Heute morgen ist Altbundespräsident Johannes Rau knapp zwei Wochen nach seinem 75. Geburtstag gestorben. So ich auch nicht immer politisch mit ihm einer Meinung war (mit wem ist man das schon), war Johannes Rau aber ein Mensch, der dieses Land überwiegend positiv geprägt hat. Wichtig für mich ist vor allem ein Auszug aus einer seiner letzten Reden, der Berliner Rede 2004:

Tatsächlich aber ist Verunsicherung so etwas wie ein allgegenwärtiges Gefühl geworden, das unsere gesamte Gesellschaft erfasst. Das ist lebensgefährlich.

Natürlich gibt es auch ein falsches Sicherheitsgefühl, das Neugier, Wagemut und Unternehmensgeist bremst. Wenn neue Entwicklungen verschlafen oder verhindert wurden, kritisieren wir das zu Recht.

Wir müssen aber träge Bequemlichkeit genau unterscheiden von der notwendigen Grundsicherheit, die jeder Mensch braucht, damit Sorgen und Angst ihn nicht lähmen. Auch Verunsicherung erzeugt Lähmung. Menschen ohne Grundvertrauen sind nicht besonders leistungsfähig, weder besonders leistungsbereit noch besonders risikofreudig.

Es ist ein Irrtum zu glauben, dass man Menschen zu besserer oder zu mehr Leistung motivieren kann, wenn sie ständig Angst haben müssen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren oder im Alter in Not zu geraten. Jeder Mensch braucht eine gewisse Grundsicherheit, damit er den Kopf frei hat, auch für Anstrengung und Erfolg im Beruf.

Wenn wir unsere Gegenwart realistisch beschreiben wollen, müssen wir auch fragen, ob tatsächlich so vieles schwierig und unsicher ist, ob tatsächlich so vieles schlecht und erneuerungsbedürftig ist, so vieles abgebaut und umgebaut werden muss - oder ob vieles einfach schlecht geredet wird.


Dies sind Worte, an die ich mich noch lange erinnern werde.

Johannes Rau (1931-2006). R.I.P.

Die Welt ist klein...

...manchmal zu klein. Da schau ich vorgestern bei Kulturzeit einen Bericht über arbeitslose Schauspieler - von 15.000 ausgebildeten Schauspielern haben nur 3.000 ein Engagement - und sehe auf einmal ein bekanntes Gesicht. Da denk ich mir, ne kann nicht! Aber das Gesicht ist so unverwechselbar...

Also, zunächst einmal zu diesem Projekt. In Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit bietet das Theater Halle 7 in München eine Weiterbildung für Schauspieler und andere Künstler der darstellenden Kunst an. Die Künstler erarbeiten zusammen eine Inszenierung, die dann ca. eine Woche lang jeden Abend aufgeführt wird. Es scheint mir, als würde die Bundesagentur für Arbeit tatsächlich mal eine Weiterbildungsmaßnahme finanzieren, die auch etwas bringt, da laut Kulturzeit häufig Intendanten und Dramaturgen anderer Theater auf der Suche nach Schauspielern im Publikum sitzen.

Und das unverwechselbare Gesicht war Regina Welz, mit der ich im Frühjahr 2003 am Theater Osnabrück zusammen arbeiten durfte, als ich bei der Inszenierung von "Zerbombt" von Sarah Kane (Regie: Stefan Rogge) Regieassistent war. Diese Inszenierung wurde unter der Überschrift "Soundtrack Schmerz" von Theater Heute (10/2003) sehr positiv besprochen.

So hab ich dann anschließend auf der Homepage von Halle 7 nachgeschaut, ob ich mich nicht doch getäuscht habe. Nein, viel mehr war ich noch einmal überrascht. Auf der Seite zur Inszenierung von "Sexy Sally" las ich dann noch einen bekannten Namen: Annette Friebe. Ein Jahr nach Zerbombt habe ich am Nationaltheater Mannheim eine Regiehospitanz bei der Inszenierung von "Kasimir und Karoline" machen dürfen. Und hier war Annette Dramaturgin.

Und nun arbeiten Annette und Regina in München zusammen. Die Welt ist wirklich zu klein. "Sexy Sally" läuft noch bis zum 29.1. in der Halle 7. Ich wünsche beiden, dass sie möglichst bald wieder ein Engagement finden.

Über diesen Blog

In diesem Blog möchte ich meine Gedanken über ganz verschiedene Themen niederschreiben, die doch alle irgendwie zusammenhängen. Da ich nicht der große Informatikkenner bin, dauert es wohl noch ein wenig, bis ich hier alles im Griff habe, auch wenn so ein Blog schon relativ einfach ist ;)

So sollen irgendwann die verschiedenen Einträge, dem jeweiligen Thema entsprechend, schließlich auch Kategorien zugeordnet werden.
Ganz spezifisch möchte ich hier über Folgendes schreiben:
  • Bücher, die ich für lesenswert halte, egal, ob Literatur oder Sachbuch
  • Theater, sowohl generell, als auch zu besonderen Inszenierungen
  • Musik, genauer gesagt: über die sogenannte "Populärmusik". Ich wage es gar nicht erst, über klassische Musik zu sprechen ;)
  • Die Gleichstellung von Schwulen und Lesben
  • Frauen in der Politik und auch über politische Newcomer. Dabei möchte ich mich aber vor allem aufs Ausland konzentrieren.
  • the United States of America, auch als USA bekannt, da ich dort ein Jahr als Austauschschüler gelebt habe und es mir zur zweiten Heimat geworden ist
  • Mannheim, oder auch Mannem, meine Wahlheimat

Donnerstag, Januar 26, 2006

Holde Anemone



Einige von Euch werden sich wundern. Da schreibt der Kerl einen Blog und nennt ihn "Holde Anemone". Hat er sie noch alle?

Um es kurz zu machen: Ja. Vor zehn Jahren war ich Austauschschüler in den USA. In meinem Englisch-Kurs an der George Whittell High School hatte auch ich von Mr Riley den Auftrag bekommen, mir ein Thema zu suchen und dazu eine Arbeit abzuliefern. Eine Mitschülerin entschied sich für "Death", ich entschied mich für "Germany: Land of the Beer". Ich war ein Teenager. Man möge mir verzeihen. Übrigens mag ich bis heute kein Bier.

Für diese Arbeit mussten wir Literatur finden und auch selbst etwas schreiben. So hab ich mir dann in den USA ein Buch über deutsche Lyrik zugelegt: "The Pinguin Book of German Verse". Hier habe ich "Frühling 1946" von Elisabeth Langgässer entdeckt, ein sehr eindrucksvolles Gedicht, an das ich mich bei der Namenssuche für diesen Blog wieder erinnert habe. Es ist ihrer Tochter Cordelia gewidmet, die das KZ Auschwitz überlebt hat. Das ganze Gedicht und mehr von und über Elisabeth Langgässer hier.


Nach der ersten Zeile dieses Gedichts habe ich meinen Blog benannt.

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